Liebe (Ur-)oma

Viele Jahre lang hast du gelebt und deinen Kindern deine ganze Liebe geschenkt. Bis zuletzt war es dein grösster und einziger Wunsch, in der Nähe „deiner Kinder“ (inzwischen Enkel und Urenkel) zu sein. Dafür hast du gelebt. Wieviele Jahre weiss man nicht genau. Das ist auch nicht so wichtig. Wichtiger ist, was du geleistet und hinterlassen hast.

Ich bin voll höchster Achtung dafür, dass du dich behaupten konntest, nicht nur selbst zu leben, sondern vielen Kindern zum leben und überleben verholfen zu haben. Den letzten Bissen hast du gegeben, wenn es um ein Kind ging. Und hast gestrahlt, sobald ein Kind in deiner Nähe war. Obwohl du sie meistens kaum mehr erkannt hast, ihnen längst nicht mehr nachlaufen oder sie aus eigner Kraft halten konntest. Die Kinder selbst haben dir die Kraft gegeben, zu leben.

glücklich mit Urgrosskind und Puppe
glücklich mit Urgrosskind und Puppe

Ich hoffe, deine Ahnen haben dich gut aufgenommen und dass du nun, da wo du bist, frei von allen irdischen Leiden bist. Dass du von dort weiterhin gut auf deine Kinder aufpasst, daran zweifle ich nicht.

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Ich muss zugeben: Die Koffer sind noch nicht alle verschwunden. Das hängt aber in erster Linie damit zusammen, dass hier noch kein Kleiderschrank steht. Eins nach dem anderen.

Inzwischen haben wir uns gut eingelebt. Aber das Zurückkommen und Abschliessen mit dieser Reise, den Erfahrungen, war nicht ganz einfach. Vor allem, weil es mit einigen Enttäuschungen verbunden war.

Die Erkenntnis nach fünf Jahren, dass man nicht mehr länger einfach „der Bruder“ ist, sondern jetzt „der Bruder in Europa“, trifft hart. Oder wie mein Mann sagte: „Ich bin nur ein guter Bruder, solange ich Geld habe.“ Beide Brüder hatten grosse Erwartungen, wie sie vom „Bruder in Europa“ profitieren könnten. Einer ging uns beleidigt aus dem Weg, der andere hat uns belogen und betrogen. Natürlich wussten wir schon vorher, dass man eigentlich niemandem trauen kann. Aber irgendwie dachten wir doch, die Brüder wären noch ein wenig aufrichtiger und loyaler. Eine grosse Enttäuschung, wenn man sich freut, die Familie wieder zu sehen, und feststellt, dass man nur mit offenen Armen empfangen wird, wenn man selbige auch grösszügig füllt.
Zurück in der Schweiz fragt mich mein Mann: „Habe ich mich in fünf Jahren so sehr verändert, oder hat sich Afrika so verändert?“ Er hat wohl so etwas wie einen Kulturschock in der Heimat erlebt. Es war hier nicht immer einfach, dazu kommt noch etwas Heimweh, da idealisiert man vielleicht ein bisschen die ferne Heimat und verdrängt das Negative. Dazu kommt, dass er nun nicht mehr „einer wie alle“ ist. Er ist „der aus Europa“. Und das verändert die Sache grundlegend. Bei Freunden und Verwandten erwartet man ganz selbstverständlich, dass er im Restaurant die Rechnung bezahlt (ja, nun ist es vorbei mit der Gastfreundschaft). Bei Geschäftlichem hofft man auf die baldige Abreise, um nicht, oder nur einen Bruchteil zu bezahlen. Und natürlich erwarten alle Geschenke.

Sehr ernüchtert, wenn nicht schockiert, hat mich die Aussage eines Neffen. Alle Kinder fragten natürlich, ob wir sie mit in die Schweiz nehmen würden. Ich fragte ihn also, wieso er denn in die Schweiz kommen möchte. Darauf folgte eine etwas verworrene, aber recht traurige Erklärung. Einfach um Europa mal zu sehen, und weil in Europa alles besser entwickelt ist als in Afrika, und er da ja etwas lernen könnte usw. usf. (nicht dass ich daran zweifeln würde dass er auf so einer Reise viel lernt. Seine Erklärung ging aber in die Richtung: „wir dummen, unterentwickelten Afrikaner müssen von euch intelligenten, zivilisierten Europäern etwas abschauen“. Kein Stolz, Afrikaner zu sein. Kein Glaube, es richtig und gut zu machen. Keine Hoffnung für den „afrikanischen Weg“ Dinge zu tun. Und das war die Aussage eines 10jährigen! Was für ein Weltbild, welches Selbstvertrauen wird er so aufbauen?

Körperliche Züchtigung von Kleinkindern, absolute Unterwerfung und autoritäre Erziehung, Korruption, Missgunst… all das sind Dinge, die im Moment noch im Kopf herumgeistern. Eine Gesellschaft und Mentalität, die sich so schnell nicht verändern wird.

Inzwischen sind wir wohl über die gröbste Enttäuschung hinweg. Der Glaube an dieses Land, in diesen Kontinent bleibt. Bereits sind wieder neue Ideen aufgetaucht. Und die alten natürlich nicht vergessen. Aber erst mal müssen wir all die Eindrücke und Erlebnisse sortieren. Ins Gesamtbild einfügen. Und danach machen wir weiter.

Byebye Seeland

Nun nehmen wir vorerst das letzte mal Abschied und damit hat diese Reise ihr geografisches Ende gefunden.
Die nächste Zeit werden wir mit Kisten auspacken, einräumen und ankommen verbringen.

Die Kleine findet im Moment sie wolle nicht wieder nach Afrika gehen. Da sie sich aber jetzt selbst ein Bild machen kann, können wir das gut  akzeptieren.

Ich habe ja jetzt Afrika gesehen

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wie sie selbst sagt. Sie kennt nun ihre Grandmaman, Cousinen und Cousins, was man dort isst, wie man dort lebt, wie es riecht, usw. Natürlich ist Papa ein bisschen enttäuscht. Doch auch ihm geht es manchmal ähnlich. Und die Kleine hat nun neue Abenteuer vor sich: eine neue Umgebung, neue Freunde, bald kommt der Kindergarten. Und darauf freut sie sich schon. Auch für ihn wird es nicht einfach: das erste Mal umziehen in der Schweiz, das erste Mal in der Deutschschweiz leben und damit auch eine Arbeit finden auf deutsch. Das kostet im Moment noch viel Überwindung.

Wenn wir zur Ruhe gekommen sind und die Koffer endlich definitiv versorgt sind, werde ich sicher auch die Zeit finden, weiter zu berichten.

Kulturschock

Zurück in der Schweiz. Und ja, wir haben Anpassungsschwierigkeiten.

Am Samstag muss man ans einkaufen bis montags denken. Schon zwei mal leichten Sonnenbrand. Warme Kleider wären auch nicht doof. Ausserdem hab ich seit der Ankunft Verdauungsschwierigkeiten (ich tippe auf Milch/Produkte). Kind in der Dusche fast mit heißem Wasser verbrannt. Ich habe gestern meine Wäsche per Knopfdruck gewaschen!

Ansonsten genießen wir die schönen Dinge: Schokolade 🙂 Freunde, den See, den Frühling. ..

Und noch einmal…

… Abschied.
Der Aufenthalt hier neigt sich zu Ende. Wir genießen noch die Annehmlichkeiten wie frische Kokosnüsse, Orangen, viel Wärme und Sonne, „Ruhe“… (Gut, wir schwitzen auch ein bisschen, zumindest wenn es wieder mal Stromausfall hat).
Ich habe wirklich viel Stoff, und diesmal auch ein Tamtam (auch Djembe genannt) gekauft. Die Koffer werden nicht nur voll, sondern vor allem schwer sein…

Die Kleine freut sich schon auf „Zuhause“, vor allem ihrer Freunde wegen. Der Abschied fällt ihr diesmal nicht so schwer. Wie Sie kürzlich antwortete, als ich sagte wir würden nicht so bald zurück kommen:

„ich weiß ja jetzt wie Afrika aussieht.“

Wenn wir zurück sind wird erst mal die Wohnungssuche losgehen. Ich hoffe ich finde dann noch mal Zeit für einen Rückblick oder so ähnlich. Und natürlich ein Ausblick. Sicher ist dem aufmerksamen Leser und der treuen Leserin nicht entgangen, dass ein paar Dinge nicht nach Plan verliefen.

Unsere Gesundheit

Schon nach gut zwei Wochen in Cotonou : Es ist heiss und hat es das erste Mal ausgiebiger geregnet. Und seit da hat es Mücken ohne Ende, der Mückenspray steht immer griffbereit. Zu Anfang unseres Aufenthaltes hielt es sich noch in Grenzen. Nun hier in Cotonou früh morgens oder abends, sobald es dämmert, wird man von allen Seiten angegriffen. In der Regel reicht es, die Füsse einzusprayen und sich weiters mit Kleidung zuschützen. Leggins reichen da übrigens nicht aus, habe ich bemerkt. Dafür lässt sich die Leggins mit Mückenspray einsprühen, ohne dass man danach voll ist von dem klebrigen, stinkigen Zeugs. Da die Mücken nun wirklich ziemlich aggressiv und viele geworden sind, haben wir auch mit medikamentöser Malaria-Prophylaxe begonnen. Zumindest solange wir in Cotonou (deutlich höhere Luftfeuchtigkeit als im Norden) bleiben.Nachts schlafen wir natürlich immer mit Mückennetz und ich versuche abends uns möglichst gut mit Mückenspray zu schützen. Kein Problem, weil die kleine Grosse Sprays schon immer liebte. Wir haben zusätzlich für Samira Malarone Junior besorgt (ich hatte aus der Schweiz nur Malarone als Notfallmedikament dabei). Wegen der weniger gravierenden Nebenwirkungen habe ich mich fürMalarone entschieden, trotz des hohen Preises (ca 120 Franken für beide. Für 12 Tage) und der täglichen Einnahme. Das morgendliche Schlucken der Tablette funktioniert meistens gut. Das Medikament soll mit Milch eingenommen werden, was für Kinder gut passt. Ich lege ihr die Tablette hinten auf die Zunge und weise sie an, einen grossen Schluck Milch zu nehmen. Manchmal klappt es auch nicht beim ersten Mal. Dann wird es leider unangenehm, denn die Tablette fängt an sich aufzulösen und schmeckt grässlich. Sie hat dann die Tendenz sie versteckt auszuspucken, daher kontrolliere ich immer ganzgenau nach.
Auch sonst geht es uns gesundheitlich gut. Der anfängliche Durchfall ist definitiv vorbei seit wir auch fast immer zuhause unser Essen selbst kochen. Mein Mann hatte noch mal ein paar Tage Probleme mit extremem Durchfall, mit viel Wasser und Kohletabletten wurde aber auch das überstanden. Wir trinkenMineralwasser oder filtern das Brunnenwasser (da hat es vor allem Algen vom Wasserturm drin). Ich hatte einmal in der ersten Woche Sonnenbrand, weil wir mittags unterwegs waren und ich keine Sonnencreme benutzt habe (auch sonst nehme ich die nicht). Unser kleiner Strolch hat innerhalb zweier Tage einen ganz andern Teint bekommen und verträgt die Sonne im Allgemeinen gut. Sie hat sogar ein paar Sommersprossen mehr bekommen. Da es hier sehr heiss und feucht ist, muss man sich mehrmals täglich, mindestens morgens und abends, gut « reinigen ». (Zur Duschmethode habe ich hier schon was geschrieben.) Der Staub, Dreck und Sand verklebt unerbittlich mit demSchweiss auf der Haut. Die Haut fühlt sich auch permanent klebrig an, fast wie wenn jemand Sirup darauf gesprüht hätte. Wer die Körperhygiene vernachlässigt, büsst es später. Etwa mit Hautausschlägen (fast alle Kinder sind hier mit Hitzepickeln übersäät) oder verstopften Poren, welche sich zu Furunkeln weiterentwickeln können. Ich bin froh haben wir ein Haus in guter Lage, hier weht meistens ein kühlender Wind und die vier Palmen im Hof spenden etwas Schatten.Natürlich wie das so ist bei kleinen Kindern, gibt es immer mal wieder Blessuren. Wir hatten gerade letzte Woche eine Serie von « Unfällen ». Nachdem sie auf der Strasse hingefallen war : Schürfung am Arm und Dreieck in der Hose. Später stand sie barfuss im Hof auf irgend ein Metallteil mit spitzenEcken : drei Löcher im Fuss die bluteten wie verrückt. Am nächsten Tag : Sturzflug, das Nachtessen landete am Boden (das war auch im ersten Moment der grösste Schock für sie). Sie hat zwei grosse Schürfungen am Fussrücken. Uns ist schleierhaft wie sie fiel und woran sie sich so verletzen konnte, es war schon dunkel. Was mir schon geholfen hat, als ich aufgerissene Haut vom Wäsche waschen oder Kokosnuss bekämpfen hatte, hilft auch jetzt : Zu Fusse der Palmen wächst hier im Haus Aloe Vera. 

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Aloe Vera Pflanzen in unserem Hof

Das Gel der Blätter wird direkt auf die Wunde getropft, ist antibakteriell und zudem kühlend. Ich vermute sogar, dass es die Fliegen etwas fern hält. Aloe Vera fördert die Zellerneuerung, weshalb damit besonders schnell neue Haut gebildet wird. Ich habe zwar Pflaster jeder Art (mit und ohne « Tierchen » etc.) mitgenommen, aber eine Wundcreme vergessen. Die wäre jetzt auch überflüssig. Pflaster sind übrigens hier nur was für die Kinderseele. Sie halten gefühlte fünf Minuten, vermutlich « schwitzt » man sie einfach weg. Und während die Tränen und das Geschrei unter der Dusche gross ist, sind die Wehwehchen z.B. beim Baden im Meer plötzlich vergessen. 😉
Zur Gesundheit gehört auch die medizinsche Versorgung. Hier in Cotonou ist das grundsätzlich keinProblem. Es ist eine Grossstadt und verfügt über entsprechende Infrastruktur. Auch Ambulanzen haben wir mehrmals gesehen, nur dürfte die etwas länger benötigen als bei uns (der Verkehr ist ein ganz leidiges Thema hier). Apotheken gibt es überall,doch lohnt es sich, sie gut auszuwählen. Leider kann man nicht grundsätzlich von gut gebildetem Personal ausgehen. Genauso sind auch oft Medikamentenfälschungen sogar in Apotheken im Umlauf. Während die meisten Medikamente bei uns rezeptpflichtig sind (unsere Malariaprophylaxe kann ich in der Schweiz ohne ärztliches Rezept nicht kaufen), kriegt man hier eigentlich alles, was man auch bezahlen kann. Kennt man jedoch nicht den Namen eines bestimmten Medikamentes, ist es zuviel erwartet, dass man in der Apotheke auch vernünftig beraten würde. Gegen den Durchfall der Kleinen bekamen wir ein Medikament gegen Amöben. Natürlich können Amöben auch starken Durchfall auslösen, aber ganz treffend war die Wahl wohl nicht. Und in der grössten Apotheke der Stadt wurde meinem Mann Malarone verkauft mit der Indikation, die Tabletten einmal wöchentlich einzunehmen. Wir nehmen es jetzt doch einmal täglich, so wie im Beipackzettel beschrieben.Inzwischen ist Malaria auch real geworden. In der Nachbarschaft sind die ersten Leute erkrankt.Für Erwachsene die nicht zum ersten Mal infiziert werden, ist das wie eine Grippe. Für mich vermutlich schlimmer (es gibt jedoch auch bei Malaria verschiedene Formen). Und jetzt wo ich mit meiner Tochter allein bin, ganz sicher keine Option mal 2 Wochen bettlägrig zu sein. Es ist gerade wieder dunkel geworden und ich habe die gesamte Belegschaft mit Antibrumm eingesprüht…

Was Erziehung mit Entwicklung zu tun hat

Als ich das erste Mal nach Afrika gereist bin,war ich noch nicht Mutter. Aber schon damals fielen mir Unterschiede der afrikanischen Kinder zu den unseren auf. Etwa, wenn jemand etwas braucht, ruft man das nächste Kind in der Nähe, und schickt es mit ein paar Münzen los, um Brot, Zucker, Seife oder was immer zu kaufen. Ruft man ein Kind, kommt es beim ersten Mal angerannt und führt unterwürfig die Anweisung aus. Damals hat mich das beeindruckt, auch wenn ich die strenge Hierarchie, die sich dahinter verbirgt, bereits wahrgenommen habe.Bei meinem letzten Besuch hier war meine Tochter fast noch ein Baby (18 Monate alt). Sie hatte gerade erst laufen gelernt, sprach ein paar einzelne Worte. Während sie noch weitgehend vom Baby-Bonusprofitierte, merkte ich jedoch schon da, wie anders die Einstellung zu Kindern wirklich ist. Ein Baby hat Bedürfnisse und diese gelten hier, im Gegensatz zur westlichen Kultur, als naturgegeben und werden als solche akzeptiert statt unterdrückt. Babys werden nach Bedarf gestillt, wann immer und wo immer sie wollen. Und sie werden ununterbrochen von jemandem gehalten. Das muss nicht zwingend die Mutter sein, oft ist die Grossmutter eingebunden, aber auch Schwestern, Cousinen oder andere Frauen.Natürlich werden sie am Rücken getragen, und sonst halt im Arm oder auf dem Schoss gehalten.Irgendwelche Hilfsmittel wie Gitterbetten, Kinderwagen, Lauflernwagen und weitere« Aufbewahrungsmöglichkeiten » gibt es nicht. Die Menschen können es sich schlicht nicht leisten und so was wie ein Kinderwagen ist hier gar komplett absurd. Geteerte Strassen gibt es nur in den grossenStädten und auch da nur im Zentrum. Zudem fehlt es überall an einer Möglichkeit ein Baby in Sicherheit abzulegen. Die Durchschnittsfamilie hier hat ein Haus ohne Glasfenster, es gibt auch im Haus drin die Möglichkeit, dass sich Skorpione und anderes Getier versteckt. Die greifen nicht aktiv das Baby an, aber verteidigen sich natürlich, wenn sie sich gestört fühlen. Im Haus hält man sich meist nur nachts auf. Oft schlafen alle in einem Raum am Boden, oder die Kinder in einem, die Eltern mit dem jüngsten Kind im andern Raum. Tagsüber ist die ganze Familie draussen. Auch da gibt es nur Sandboden. Zudem frei herumlaufende Tiere (Ziegen, Schafe, aber auch herrenlose Katzen oder Hunde, Hühner, usw.) Bevor das Kind nicht selber sitzen oder laufen kann, lässt man es auch nicht irgendwo « am Bodenherumliegen ». Daher ist der natürliche Platz eines Babys immer auf einer andern Person. Einziges Hilfsmittel ist ein Tuch.Nachdem das Baby also in seinen ersten Lebensmonaten viel Liebe und ständiges Umsorgtsein erlebt hat, ist mit dem Ende des Babyalters der Spass vorbei. Sobald das Kind selber laufen kann, ist oftmals die Mutter bereits wieder schwanger mit dem nächsten Kind. Zudem wird nun auch vom Kind erwartet,dass es selbständig ist. Es soll selber essen und sich selber um seine Körperhygiene kümmern.Meistens sind dann die grösseren Geschwister für die Kleinen mitverantwortlich. Überhaupt spielen Geschwister eine grosse Rolle in der Kindererziehung. Stellt der Jüngste etwas an, sind die Grossen mitverantwortlich, weil sie nicht aufgepasst haben (und werden oft auch für « Fehler » oder gar Missgeschicke der Kleinen bestraft). Sie wissen schon wie es läuft und sollen deshalb den Kleinen helfen. Die Kinder haben weiterhin viel Freiheiten, die meiste Zeit verbringen sie in Kindergruppen beim Spielen. Erwachsene mischen sich nicht ein, die Grossen kontrollieren die Kleinen. Schnell stellt sich da ein natürliches Gefüge ein : Der Stärkste hat das Sagen.Wie werden aber aus den kleinen, freien Wildfängen gleichzeitig so gehorsame Helfer ? Welche Grausamkeit hinter diesen folgsamen, nach aussen « gut erzogenen » Kindern steckt, verstehe ich erst jetzt (weil ich mir früher schlicht keine Gedanken dazu gemacht habe). Was diese Kinder so folgsam macht, ist pure Angst. Gewalt ist hier ein fester Bestandteil der Erziehung, ja der ganzen Kultur.« Schlecht erzogene » Kinder, oder eben « ungehorsame » (je nach dem ob aus der Sicht von Aussen oder von den Eltern selbst) muss man ständig schlagen. Mit der Zeit reicht jedoch die Androhung. Das führt so weit, dass schon bei den Kleinkindern rsp. jüngeren Geschwistern reicht, wenn man sagt « Ich werde dich schlagen ». Ich war mässig ausgedrückt schockiert, als wir bei Freunden mit zwei Kindern zu Besuch waren. Die fünfjährige Tochter sprach unablässig davon, dass man in der Schule schlägt,dass Mama wegen dies und jenem schlagen wird, dass die Lehrerin schlägt, etc. Den ganzen Abendhörte ich nichts anderes als « schlagen ». Keiner der Anwesenden hat sich daran gestört, es wäre auch niemandem aufgefallen. Der Gedanke an ein Trauma ist nicht weit, wenn ein Kind nur noch von ihm zugefügter Gewalt spricht und davon, dass es weitere Gewalt in Zukunft erwartet. Sobald jedoch Eltern nicht mehr schlagen müssen, sondern die Androhung allein reicht, sind sie stolz, dass ihre Erziehung erfolgreich war. Nur das gebrochene Kind ist ein gutes Kind.Abgesehen davon dass dies tragische Realität für Millionen von Kindern ist, hat diese Erziehung weitreichende Folgen. Das gewaltsam unterdrückte Kind lernt, dass es nur « gut » und erwünscht ist,wenn es sich dem Willen anderer unterwirft. Wir wissen längst, wie prägend die Kindheit für das ganze Leben eines Menschen ist. Wie lernt so ein Kind, so ein Mensch, je selbständig zu denken ? Einen eigenen Willen, eine eigene Meinung zu entwickeln ? Wie funktioniert in so einer Gesellschaft Demokratie ? Sie können es sich denken : einer sagt wo’s lang geht und die andern gehorchen (das wäre dann gemäss Definition eher Diktatur). Gleichzeitig führt das « Recht desStärksten » zu einem ständigen Kampf in der Gesellschaft. Jeder gegen Jeden. Sogar innerhalb der Familie ist klar festgelegt, wer das sagen hat und wer zu gehorchen hat. Niemand stellt das in Frage.Mechanismen aus der Kindheit ziehen sich da weiter. Der Lehrer (eine Autoritätsperson) hat das Kind geschlagen. Sich bei den Eltern ausweinen gilt nicht. Der Lehrer wird schon wissen, wieso er das Kind geschlagen hat. Die Eltern werden ihm sicher nicht in den Rücken fallen. Im Gegenteil. Sie sind froh,übernimmt jemand anderes für sie « Erziehungsarbeit ». Irgendwo haben nämlich auch diese Menschen Gefühle, und fühlen sich nicht gut dabei, ihr eigenes Kind zu schlagen. Es wird mitunter dem Kind sogar vorgeworfen, dass es seinen Eltern so viel Ungehorsam antut, dass diese es schlagen müssen, obwohl sie es ja eigentlich lieben. Diese Kinder werden nie ein gesundes Gerechtigkeitsempfinden entwickeln. Sie können beliebig misshandelt werden und sich selbst dafür schuldig fühlen.Vor so einem Hintergrund kann man sich berechtigt fragen, ob die Länder und Menschen Afrikas denn bereit sind für Unabhängigkeit und Demokratie. Ich jedenfalls denke, Afrika hat noch einen langen Wegvor sich (wobei ich mir nicht mal über das Ziel im klaren bin, aber manchmal ist auch der Weg das Ziel).* Ich beziehe mich hier auf meine persönlichen Erfahrungen in Westafrika. Sie haben keinen Anspruchauf Allgemeingültigkeit.

Die Regeln der Korruption

Ich habe mir jetzt mehr als einmal überlegt, ob ich über dieses Thema überhaupt schreiben soll oder nicht. Wie ihr seht, habe ich mich dafür entschieden. Aus dem einfachen Grund, weil sich Dinge die man totschweigt nie ändern. Und ich daran glaube, dass Veränderung immer möglich ist. Schon im Philosophie-Unterricht am Gymnasium habe ich gelernt « Panta rhei » : Alles fliesst.
Das Interessante an korrupten Systemen ist, dass es nebst den offiziellen Regeln auch noch die « anderen Regeln » gibt. Jeder hier weiss, wenn dich der Gendarm an den Strassenrand pfeift, will er Geld sehen. Oder wenn ich kein Geld habe, warte ich vielleicht monatelang auf irgend ein offizielles Papier. Habe ich aber Beziehungen, kann das den Prozess enorm beschleunigen, sogar ohne dass ich Geld in die Hand nehme. Dafür ist man aber auf den Goodwill der Beziehungen angewiesen, die einen Anruf machen oder zwei, um den « Passe-partout » anzukündigen. Ärgert man sich offen über den Prozess, wird man mit Extra-Wartezeit bestraft. So kann man sich schnell mal wie beim Leiterchen-Spiel fühlen. « Zurück zum Anfang » heisst es immer wieder.
Zum Beispiel die Autonummer : Früher gab es die « Immatriculation provisoire ». Eine IP-Nummer klebt dann so lange auf dem Auto, bis das richtige Nummernschild da ist (das kann schon mal ein paar Monate dauern). Nun wurde vor Kurzem die IP abgeschafft. Unser Bus wurde aber noch eingeschrieben, als es die IP noch gab. Diese IP ist nun offiziell nicht mehr gültig, das Nummernschild ist aber seit über einem Monat noch nicht da. Jeder Polizist der also die IP-Nummer auf dem Bus sieht, wird uns anhalten, die Papiere anschauen. Feststellen, dass die Immatrikulation abgelaufen ist, da die IP auch nicht mehr verlängert wird und erklären, dass es keine IP mehr gibt. Obwohl natürlich das Auto offiziell angemeldet ist. Je nach Strasse kann man so mehrmals täglich bei jedem Polizist 10.- CHF liegen lassen. Bin ich nicht kooperativ mit seinem Ziel, findet er schon irgendwas, womit er mich ärgern kann. Wenn sich nichts findet, aus dem sich Geld ziehen lässt, dann wird man einfach noch etwas anderweitig befragt und aufgehalten (z.B. fragt man mich – Beifahrerin – nach meinem Pass. Ob sie dazu befugt sind, wüsste ich nicht mal), so hat er wenigstens die Genugtuung, einen geärgert zu haben, wenn man schon nicht zahlt. Gerade weil wir hier mit einem Minibus unterwegs sind, werden wir gerne angehalten, insbesondere interessiert sie, was geladen ist (es hat nur 3 Sitzplätze vorn). Oft werden mit solchen Fahrzeugen Transporte aller Art gemacht. Fehlen die richtigen Papiere (also die, die dieser Polizist gerade sehen will), zahlt man entsprechend. Einmal hatten wir zwei Kopiergeräte geladen (natürlich offiziell verzollt und mit den Papieren). Etliche Papiere haben sie durchgesehen, bis sie akzeptiert haben, dass alles korrekt ist, die Kopierer verzollt wurden, dass sie von uns importiert wurden und nicht etwa aus Togo kommen und wir weiterfahren können. Sie nehmen sich nicht etwa die Mühe, selbst zu lesen, können sogar das Papier in den Händen halten und behaupten, es steht nichts darauf. Das tun sie mit solch einem selbstverständlich arroganten Auftreten, dass man sich nicht mal traut, zu widersprechen. Auch das könnte in mehr Ärger enden. Lieber überlässt er dann den « Fall » noch einem Kollegen (also nachdem erkannt wurde, dass wohl das auf dem Papier steht, was da stehen muss), der dann alles noch mal durchsieht, um festzustellen, dass man schliesslich und endlich gefunden hat, was gefragt wurde. Das hätte man ja doch gleich zu Anfang sagen können. Da schluckt man viel, viel Ärger.
Nützliche Beziehungen müssen natürlich auch gepflegt werden. Deshalb sind hier « wichtige Personen » (Beamte aller Art, Politiker, Polizisten, Zöllner, usw.) auch sehr beliebt. Jeder möchte so jemanden kennen oder gar in der Familie haben. Und wenn man so jemanden schon kennt, möchte man natürlich auch davon profitieren können. Das zieht nach sich, dass diese Personen sich fast alles erlauben können. Von « unten » werden sie immer mit Samthandschuhen angefasst, auch wenn sie die Leute noch so mit ihren schmutzigen Schuhen treten. Man will sich so eine Beziehung halt nicht verscherzen. Dazu kommt, dass diese Personen nicht damit geizen, ihre Machtposition zur Schau zu stellen. Das hat zur Folge, dass eine strenge Hierarchie herrscht welche die ganze Gesellschaft durchzieht, Kinder eingeschlossen. Es gelten Alter, Zivilstand, sozialer Status, politischer Einfluss, Reichtum (ich könnte noch Hautfarbe anfügen, das ist jedoch sehr ambivalent und ein eigener Beitrag wert).
Natürlich kann man sich fragen, wieso man sich überhaupt an (offizielle) Regeln halten soll in einem korrupten System. Ich habe meistens die Möglichkeit, mich einfach frei zu kaufen. Dabei geht es immer um ein Abschätzen der Prioritäten. Etwa kann einen ein Strassenpolizist aufhalten mit allen möglichen Fragen und Papieren die er sehen will. Wenn ich es eilig habe (z.B. weil meine Fahrgäste sonst aussteigen), stecke ich ihm lieber etwas zu, und er lässt mich ohne weitere Fragen weiterfahren, selbst wenn der Rückspiegel fehlt und die Windschutzscheibe Risse hat. Das Geld lässt man nur in der Tasche stecken, wenn man sehr sicher ist, dass nichts zu finden ist, oder wenn man selbst oder der eigene Bruder eine sehr einflussreiche Person (Politiker, Leutnant o.ä.) ist. So reisen die meisten Militärangehörige usw. in Uniform. Kein Gendarm wird es wagen, ihn anzuhalten. Weshalb also soll sich der Einzelne an die Regeln halten, wenn diejenigen, die die Regeln schaffen oder kontrollieren sich selbst nicht an die Regeln halten ? Eher sucht man eine Möglichkeit, sich in eine Position zu begeben, die mehr Freiheiten erlaubt (viele gute Beziehungen, selbst zu den Mächtigen gehören…).
Das Wichtige ist, nicht nur die verschiedenen Regeln zu kennen, man muss sich natürlich auch entscheiden (sofern man die Wahl hat), an welche Regeln man sich halten will. Auf « offiziellem » Weg, darf kein einziges Komma fehlen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf einen Polizisten treffe, der Mal ein Auge zudrückt, ist wohl kleiner, als im Lotto zu gewinnen. Ist das kleinste Irgendwas nicht in Ordnung, so wählt man meistens die andern Regeln. Denn auf offiziellem Weg eine Busse bezahlen ist einerseits sehr viel teurer (statt 10.- kostet es dann vielleicht 100.-) und andererseits enorm zeitintensiv. Etwa, weil das Auto noch zur Inspektion auf den Posten mitgenommen wird (Wartezeit : mehrere Tage, kann ich die Busse nicht bezahlen, entsprechend länger). Natürlich wählt man da den einfacheren Weg. Soll der Polizist glücklich werden und sein Geld nehmen und ich kann weiterfahren. Wieviele Bussen der Staatskasse so entgehen, frage ich lieber nicht.Das Ganze verleitet natürlich auch dazu, es mit den Regeln allgemein « nicht so genau » zu nehmen. Spricht man die Leute hier auf solche Missstände an, folgt meist eine Antwort wie « Haben die Leute denn eine Wahl ? » Nehmen wir obiges Beispiel, und ich bin Taxi-Fahrer. Ich kann es mir schlicht nicht leisten mein Auto für ein paar Tage auf irgend einem Polizeiposten stehen zu lassen (um noch mehr mit Kosten verbundene Fehler zu finden). Noch weniger kann ich mir die offizielle Busse von 100.- leisten. Die 10.- bezahle ich dann locker, es gehört fix eingerechnet. Korruption hilft eben jedem der direkt Beteiligten. Deshalb funktioniert es nach dem Motto « Never change a running system » (verändere nie ein funktionierendes System) auch so gut. Deshalb ärgert sich jeder über den Polizisten, der ihm gerade 1000 CFA abgenommen hat, aber der Ärger ist nie so gross, dass man etwas ändern wollen würde.
Um noch festzuhalten : Es gibt auch diejenigen hier, die sich genau und gerne an die offiziellen Regeln halten. Aber jeder ist irgendwie Teil des aktuellen Systems, und kaum jemand hat nicht auch schon Mal auf die Korruption zurück gegriffen, wenn es eng wurde. Selbst wenn man es ungern tut, manchmal hat man eben wirklich nicht die Wahl. Oder redet sich dasein. Die Schlange beisst sich selbst in den Schwanz.
Aber Panta rhei. Alles fliesst. Nicht nur das Geld.

Was isst man dort eigentlich?

Wenn man nach Afrika reist, muss man erst mal mit einem Reisedurchfall rechnen. Mein Magen ist zum Glück nicht so empfindlich, doch ein bis zwei Wochen Verdauungsschwierigkeiten gehören dazu. Jedenfalls lohnt es sich, auf seine Sinne zu achten. Was nicht mehr frisch riecht oder schmeckt, ist vermutlich auch nicht mehr frisch. Zudem sind wir uns vieles nicht mehr gewohnt. Hygiene ist hier oft sehr rudimentär. Wenn Wasser kaum vorhanden ist und zudem schwer zu beschaffen, wird sparsam gewaschen. Sei das die Wäsche oder das Geschirr. Hinzu kommen Gewohnheiten, wie die Toilette, die mit Wasser aber ohne Papier gemacht wird (mit der linken Hand – sie ist für alles schmutzige und schlechte), gleichzeitig isst man traditionell ohne Besteck, mit der rechten Hand. Trotzdem ist es längst nicht überall üblich, dass man zum Hände waschen vor dem Essen auch Seife kriegt. Oder dass man nach der Toilette die Hände mit Seife waschen würde.
Reist man mit einem Kind, verschärft sich die Lage noch. Beim ersten Besuch in Afrika war unsere Tochter 18 Monate alt. Sie stillte nicht mehr und nahm auch keine Flasche mehr. Wir waren also darauf angewiesen, dass sie auch das ass, was es eben zu essen gab. Sie hatte während des ganzen Aufenthaltes Dauerdurchfall, die Verdauung normalisierte sich erst wieder nach einer Woche in der Schweiz. Wir suchten oder kochten Pasta für sie, weil sie ausser Reis alle einheimischen Gerichte verschmähte. So hoffte ich, dass sie diesmal auf den Geschmack kommen würde und habe ihr schon vorgängig vom leckeren Foufou von Grandmaman erzählt.Nichts zu machen, alles was nicht eindeutig bekannt war (Pasta, Reis) wurde noch nicht mal probiert. So hat sie eine Woche lang bei Grandmaman nur Spaghetti gegessen. An sich keine schlechte Sache, denn das hat uns vermutlich erst Mal vor grösseren Problemen bewahrt.
Wer nun denkt, wir würden hier hungern, täuscht sich. Wir haben alle bereits an Gewicht zugelegt. Das liegt zuallererst daran, dass wir bei Maman waren. Sie flüchtet wann immer möglich vor meinem Fotoapparat, weil sie so « dünn » sei. In ihren Augen muss eine respektable Person auch ordentlich was auf den Rippen haben (ein weit verbreitetes Phänomen in vielen Teilen Afrikas). Entsprechend hat sie uns bekocht, und jeweils fast geweint, wenn nicht alles aufgegessen war. Für sie ist es fast ein Affront, wenn etwas übrig bleibt.Andererseits hat die Gewichtszunahme auch mit der Küche hier zu tun. Es wird generell mit sehr viel Öl gekocht, v.a. in Saucen. Während meine 1l-Ölflasche in der Schweiz vielleicht zwei Monate reicht, tut es das hier je nach Familiengrösse geschätzte 1-2 Wochen. Es gibt sogar Saucen, die ganz auf Öl basieren (Palmöl-Sauce). Ein weiterer Punkt ist der Zucker. Es ist längst bekannt, dass grosse Getränkehersteller ihre Rezepte regional an den Geschmack der Konsumenten anpassen. So sind « Süssgetränke » (passend « Sucreries » = Süssigkeiten genannt) hier noch süsser. Nun gibt es vielerorts zwar « Sucreries » zu kaufen, aber kein Mineralwasser. Vor drei Jahren gaben wir unserer Tochter jeweils von unseren Getränken mit Wasser verdünnt als „Sirup“ zu trinken, und sie war vollends zufrieden damit. Nun lässt sie sich natürlich nicht mehr so täuschen. Der viele Zucker trägt aber vermutlich auch zu den Verdauungsproblemen bei.Wir haben erneut auf fast ausschliesslich Wasser umgestellt.
Solange ich nach eigenem Hygienestandard abwaschen und kochen kann (die Küche habe ich erstmal einer Generalreinigung unterzogen), ist der Einkauf die grösste Herausforderung. Einen Kühlschrank haben die wenigsten Menschen, der Stromtarif hier ist teurer als in der Schweiz. Hocheffiziente Geräte (A+++) wie wir sie kennen, gibt es hier nicht, eigentlich alles am Markt ist Gebrauchtware. Gerade was frische Zutaten wie Gemüse oder Fleisch betrifft, findet man nicht im Laden um die Ecke. Nun ist hier der Kühlschrank vor ein paar Tagen auch kaputt gegangen. Es wird seit da der tägliche Bedarf auch täglich gekauft. Mehr nicht. Dafür habe ich aber kleine Tricks gelernt. Das Mädchen hat mir gezeigt, dass wenn man oben in die halbvolle Dose Öl füllt, es am nächsten Tag kein weisses Pelzchen auf dem Tomatenkonzentrat hat. Fleisch wird gebraten und ist so einen Tag ohne Kühlung haltbar…Wir essen hier also meistens Reis oder Pasta, oder auch fritierten oder gekochten Yams. Weniger verbreitet, aber auch erhältlich ist Couscous. Fleisch ist ein Thema für sich, im Moment, ohne Kühlschrank, koche ich lieber fleischlos. Gemüse wie Tomaten und Schalotten sind ohne Probleme überall erhältlich. So kann man wenigstens eine Tomatensosse immer frisch zubereiten. Anderes Gemüse wie Karotten, Gurken oder etwa Salat ist schwieriger zu finden und oft von schlechter Qualität. Manchmal kaufen wir eine Büchse Erbsen oder Mais für etwas Abwechslung. Kräuter oder Gewürze sucht man ziemlich vergeblich. Es gibt Salz und « Piment ». Ich habe zwar schwarzen Pfeffer (Körner) gefunden, aber erfoglos dasselbe in Pulverform gesucht (da ich keine Pfeffermühle oder sonst passendes habe). Verkauft hat man mir letztlich ein « Piment », was sie « Mélange » (Mischung) nennen. Der Oberbegriff für ziemlich alles, was sie selbst herstellen. Es ist gut, aber eben nicht der schwarze Pfeffer, den ich gesucht hatte…
Gekocht wird auf einem Gasherd (es kostete meinen Mann einen halben Tag und viele Nerven um eine volle Gasflasche in der Stadt zu finden). Eine ziemliche Tortur, wenn Temperatur und Luftfeuchtigkeit so hoch sind. Was für ein super Luxus hier ein Dampfabzug wäre. Immerhin haben wir einen elektrischen Wasserkocher für den Kaffee (oder warmes Duschwasser).
Schwierig wird es dann, wenn man eingeladen wird. Die Menschen hier sind sehr gastfreundlich, und aus Höflichkeit kann man nicht immer alles ablehnen. So wird eigentlich jedem Gast bei Ankunft immer erst Wasser offeriert. Schon hier müssen wir jeweils ablehnen und auf unsere mitgebrachten Mineralwasserflaschen verweisen. Den Leuten ist das oft nicht recht, und meistens möchte man uns dann auch « Sucreries » oder Bier anbieten.
Da der erste richtige Durchfall bei der Kleinen überstanden ist, hoffe ich, dass die Anpassung soweit erfolgt ist. Auch mein Mann wurde nicht vor einem heftigen Durchfallverschont, nach fünf Jahren in der Schweiz ist auch er all die Mikroben nicht mehr gewohnt. Inzwischen ist er vorsichtiger geworden und hat sich unseren Essgewohnheiten angepasst. Gut auch, wenn man nicht unvorbereitet ist. So waren wir sehr froh um die mitgebrachten Kohletabletten und das Bioflorin.
Lecker sind auch die « kleinen » Dinge :
Früchte : Im Moment sind Kokosnüsse, Ananas, Bananen und Orangen erhältlich. Zitronen gibt es auch, mit einem Durchmesser von ca. 2cm (es scheint nicht Zitronen-Saison zu sein). Äpfel sind hier extrem teuer, da sie importiert werden.
Glacé : gehört irgendwie dazu zu heissen Temperaturen und Sonne, oder ? Immer mit Vorsicht. Wir haben bis jetzt einmal Eis gegessen, in einem modernen Fast Food Restaurant, wo Hygiene und Kühlung (hoffentlich) gewährleistet sind. Auf der Strasse sind junge Leute mit einer Art fahrenden Kühlbox unterwegs. Da verzichten wir lieber.
Kleinigkeiten im Strassenverkauf : allgemein kann man hier überall was Kleines kaufen, süsse oder salzige Erdnüsse, Beignets, Bananenchips, Popcorn, etc. Bei allem, was nicht industriell gefertigt und verpackt ist, gilt vorsicht. Etwa mit Beignets die frisch frittiert werden, gibt es kein Problem. Verkauft jemand Beignets, die nun vielleicht schon den ganzen Tag in einem Korb oder einer Glasvitrine herumgetragen wurden, verzichte ich lieber.
So kommen wir inzwischen gut zurecht. Ich muss die Kleine öfter mal ermahnen, kein Leitungswasser zu trinken, und auch andere Leute vergessen gerne (oder wissen es nicht), dass wir das « normale » Wasser nicht vertragen. Manchmal gilt es abzuwägen, wie schlimm es wäre, etwas zu essen oder trinken. Ich koste oftmals, und wenn ich mir nicht sicher bin, belasse ich es dabei. Bei kleinen Mengen gibt es meist kein Problem. Hin und wieder kommt es vor, dass wir kleine Verdauungsschwierigkeiten haben. Doch nichts ernsthaftes, was uns krank machen würde. Es ist in solchen Situationen nur hilfreich, wenn man auch mit einer « gewöhnlichen » Toilette von hier zurecht kommt.

Unser Alltag

Morgens stehe ich gerne früh auf, weil die ersten Stunden (bis ca. 9 Uhr) die angenehmsten sind. Einerseits von der Temperatur her,andererseits ist man ausgeschlafen und nicht schon erledigt von den Mühseeligkeiten des Tages. Als erstes gibt es « Kaffee ». Das heisst, Wasser kochen (dank einem elektrischen Wasserkocher nichts ungewöhnliches und schnell, falls es nicht gerade Stromausfall hat). Kaffee heisst Nescafé, andere Marken sind selten zu sehen. (Nestlé beherrscht sowieso quasi konkurrenzfrei den afrikanischen Markt). Zucker kaufen wir nur Würfelzucker, « cubes » genannt, die auch wirklich quadratisch sind und etwa doppelt so gross wie wir es gewohnt sind. Loser Zucker ist manchmal etwas « wirkungsfrei ». Was genau das ausmacht,habe ich noch nicht herausgefunden, aber auch wenn man löffelweise reingibt, wird es einfach nicht süsser. Dazu gibt es konzentrierte Milch aus der Konservendose. Ausserdem isst man dazu « Brot », was so was ähnliches wie das französische Baguette ist. Nur nicht so knusprig und auch nicht immer frisch.Manchmal haben wir noch « La vache qui rit » darauf, damit es nicht zu trocken ist, oder Mayonnaise. Das jedoch ist bereits ein Luxus, den sich die meisten hier nicht leisten können (manche müssen gar ganz auf ein Morgenessen verzichten).Danach wird erst mal geduscht. Bei uns würde man es vielleicht eher abschrubben nennen. Ein robustes Stück « Netz » wird eingeseift, und damit reibt man sich nun sauber. Ich habe mich lange gefragt, weshalb man sich so was antut, wo es doch auch hier weiche Schwämme oder Schaumstoffstücke gibt. Es ist ganz einfach die einzige Möglichkeit, wirklich sauber zu werden. Zudem sind die Netze günstig und halten lange. Im Haus haben wir dank einer Pumpe und eines Wasserturms eine funktionierende Dusche. Das heisst, eine Duschbrause, wo auch eine sinnvolle Menge Wasser rausfliesst.Das allerdings nur, wenn der Wasserschlauch richtig hängt, damit er nirgends geknickt wird. Ich wasche meist erst die Kleine, was etwas länger dauert, wenn auch die Haare gewaschen werden. (Das allein wäre ein Kapitel für sich.) Wenn alles gut läuft, stehe ich am Schluss nicht in einem See, weil wieder mal der Abflussverstopft ist (inzwischen ist das « Sieb » nicht mehr auf dem Abfluss, welches gleichzeitig als Syphon dient. Dadurch läuft es problemlos ab, ab und zu zieht aber auch ein unfeines Düftchen von unten hoch).Oftmals gibt es etwas in der Stadt zu erledigen (das Quartier ist sowas wie ein neuer Vorort von Cotonou). Da ich selbst weder Fahrausweis noch Auto besitze, bin ich auf Hilfe angewiesen. Der eine Durchschnittsmensch hier nimmt in dem Fall ein « Zem »(Zémidjan), ein Taxi-Moto. Die andere Hälfte hat selbst ein Motorrad. Da aber immer meine Tochter mit dabei ist, traue ich mich erst recht nicht per Motorrad in den Verkehr hier. Unfälle sind häufig und enden meist für den Motorradfahrer tödlich. Also fahre ich bei meinem Mann mit oder sein Bruder fährt mich und er nimmt ein « Zem ». Das läuft dann zum Beispiel so: Auf dem Plan stand, meine SIM-Karte für eine Internetverbindung zu aktivieren und ein paar Lebensmittel einkaufen, falls noch Zeit bleibt. Wir waren gerade losgefahren zur Zentrale der Telefongesellschaft, da kam schon ein Anruf von meinem Mann. Er muss einem Kunden sofort eine Maschine zur Ansicht liefern, in Aussicht steht eine grössere Lieferung. Also gehe ich unterdessen ins Internetcafé,während die Kleine mit dem Mädchen sich nebenan mit « Sucreries » und Spielen die Zeit vertreibt. In der Zeit geht das Auto zurück nach Hause, zum Kunden, und nach drei Stunden werden wir wieder abgeholt. Nun machen wir uns direkt auf den Weg zur Telefongesellschaft, doch die hat inzwischen schon geschlossen. Nach fünf Minuten diskutieren mit dem Portier (um doch noch zu jemandem eingelassen zu werden) sagt dieser, am Flughafen habe es noch ein Büro, das länger geöffnet ist. Also fahren wir zum Flughafen. Dort klappt auch alles, mein Handy hat Internetempfang, ich kann WhatsApp runterladen und zwei Nachrichten versenden. Gerade als wir beim Haus vom Schwager ankommen, ruft mein Mann wieder an, dass er das Auto braucht für weitere Transporte. Nach einigem hin und her telefonieren kommt er uns abholen um uns nach Hause zu fahren. In der Zwischenzeit haben wir uns was zu essen geholt zum mitnehmen. Die jüngste Tochter vom Schwager kommt mit uns mit, damit meine Kleine nicht so alleine ist (die andern Kinder gehen bereits zur Schule). Sie kommt ohne mit der Wimper zu zucken mit,obwohl sie mich noch nicht so lange kennt. Zuhause wiederholt sich dann erneut das Spiel vom Morgen : essen, und nun zwei Kinder waschen und zu Bett bringen. Zum Glück sind beide müde,so dass sie schnell einschlafen.Dass ich sonst noch was einkaufen wollte, ist längst vergessen.Am nächsten Tag dann die Überraschung : seit Tagen wollte ich den Internetzugang aktivieren, doch jetzt funktionierte nichts mehr. Mittags merke ich, dass ich nicht mal mehr SMS versenden kann. Am Abend zuvor noch mit Credit aufgeladen (umgerechnet ca. 12 Franken), meldet mir das Telefon nun, dass mein Kontostand 0 fCFA beträgt. Der Ärger ist gross, und die Hoffnung,das bald zu regeln, klein. Also will mein Mann, sofern er es nicht vergisst, eine neue SIM einer anderen Telefongesellschaft kaufen.So läuft das hier.